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Eine gefährliche Datenlücke

Eine gefährliche Datenlücke

Gleich zu Beginn ein Hinweis: Leider geht die Gendermedizin – von der das Editorial handelt – zumeist von einem binären und cis Geschlechtersystem aus. Transpersonen und Menschen, die keinem dieser beiden Geschlechter angehören, werden selten mit einbezogen. So setzt sich die Unsichtbarmachung dieser Gruppen auch in diesem Bereich fort.

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Die Medizin und auch ihre Forschung haben schon immer den Fokus auf die Männer gelegt. Teilweise wurden in Studien sogar ausdrücklich keine Frauen mit einbezogen, nachdem Ende der 50er- und Anfang der 60er-Jahre Tausende Frauen, die in der Schwangerschaft das Medikament Contergan genommen hatten, Kinder mit Fehlbildungen zur Welt gebracht hatten. So sind Männer auch zum Standard geworden, was z. B. Therapie oder die Dosierung von Medikamenten angeht.
Erst in den letzten Jahrzehnten kam das Thema der Gendermedizin in der Forschung und Praxis an. An der Uni Wien gibt es erst seit 2010 eine Professur für Gendermedizin.

Die Gendermedizin hat zur Aufgabe, herauszufinden, worin die Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen, wenn es etwa um medizinische Versorgung und Krankheitsbilder geht. Ein Beispiel, das es mittlerweile schon zu größerer Bekanntheit gebracht hat, sind die Symptome eines Herzinfarktes: Die Symptome, die zuerst in den Köpfen auftauchen – Schmerzen in einem Arm, Schmerzen in der Brust -, erleben vor allem Männer. Zwar haben auch manche Frauen diese Symptome, allerdings gibt es bei ihnen auch viele andere Anzeichen, die selten einem Herzinfarkt zugeordnet werden: verstärkte Müdigkeit, Magenbeschwerden, Schmerzen zwischen den Schulterblättern. Die Folgen sind Fehldiagnosen und ein höheres Sterberisiko bei Frauen.

Auch in der Behandlung von Krankheiten gibt es Unterschiede. Medikamente wirken je nach Geschlecht unterschiedlich. Und für Frauen ist es schwieriger, bei chronischen Schmerzen eine adäquate Behandlung zu erhalten, weil ihnen oft nicht geglaubt wird. Männer hingegen gehen viel seltener zu Psychotherapeut:innen.

Ein Mitgrund dafür, dass es vielerorts noch immer keine geschlechtergerechte Behandlung gibt, ist der sogenannte Gender Data Gap. Es gibt schlicht und einfach viel weniger Daten von Frauen, was zum Beispiel im Fall von falscher Dosierung (lebens-)gefährlich sein kann. Dass hier noch viel zu tun ist, zeigt auch, dass in Österreich Gendermedizin ein Studiengang ist, der extra belegt und bezahlt werden muss. Und dass es erst seit 2017 einen Aktionsplan Frauengesundheit der Regierung gibt.

Falls ihr Fragen oder Feedback habt, schreibt mir gerne unter sophie.geiblinger@frauendomaene.at.